Im Nahverkehr geht’s weiter aufwärts

Vor allem das Deutschland-Ticket kurbelt die Nachfrage an

Der VVS und die Verkehrsunternehmen in der Region Stuttgart können im ersten Halbjahr eine positive Bilanz ziehen: Bis Ende Juni 2023 wurden rund 181 Millionen Fahrten mit den Bussen und Bahnen im VVS unternommen, das sind 16,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Vergleich zu 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie, fehlen noch 8,6 Prozent. Das Deutschland-Ticket, das zum 1. Mai 2023 eingeführt wurde, hat allerdings dafür gesorgt, dass seither wieder so viele Menschen mit Bus und Bahn fahren wie vor der Pandemie.

Das erste Quartal des Vorjahres war noch von Corona-Maßnahmen geprägt. In diesem Jahr gab es dagegen keine Einschränkungen mehr. Restaurants, Fußball-Stadien, Festzelte und Theater sind wieder gefüllt, Vorlesungen finden in Präsenz statt – nur das Homeoffice ist bei vielen Angestellten nach wie vor beliebt. Am 31. Januar 2023 ist auch die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr gefallen – während man in den ersten Monaten des Vorjahres noch einen 3G-Nachweis gebraucht hat, wenn man mit Bus und Bahn fahren wollte. Diese Normalisierung im Alltagsleben hat die Nachfrage im öffentlichen Nahverkehr ebenso belebt wie die hohen Spritpreise und natürlich die neuen Tarifangebote, die von Bund und Land mit Milliardenbeträgen finanziell unterstützt werden.

Zum 1. März 2023 wurde das neue JugendTicketBW eingeführt. Junge Menschen können seither für nur einen Euro pro Tag mit allen Bahnen und Bussen des Nahverkehrs in ganz Baden-Württemberg fahren. Seit Mai können alle anderen Fahrgäste für nur 49 Euro im Monat den Nahverkehr im VVS-Gebiet und in ganz Deutschland entdecken. Doch das ist noch nicht alles: Voraussichtlich im Dezember 2023 soll der Geltungsbereich des JugendTickets auf ganz Deutschland ausgedehnt werden. Die jungen Fahrgäste bekommen damit ein rabattiertes Deutschland-Ticket zum Preis des bisherigen JugendTickets.

Abonnements auf Rekordkurs

Mit Einführung des Deutschland-Tickets hat sich die Zahl der Abonnenten auf fast 300.000 erhöht, hinzu kommen nochmals rund 150.000 Abonnements im JugendTicketBW. Diese Zahlen beziehen sich nur auf die bei den Abo-Centern im VVS bestellten Deutschland-Tickets.  Noch nicht eingerechnet sind die Fahrgäste aus der Region Stuttgart, die ihr Deutschland-Ticket über den DB-Navigator oder eine andere bundesweite Plattform bestellt haben. Der VVS rechnet hier mit mehreren zehntausend weiteren Abonnements, die erst bis Ende des Jahres nach Regionen ausgewertet und gemeldet werden.

80 Prozent der Fahrten mit Deutschland-Ticket oder JugendTicketBW unterwegs

Das Deutschland-Ticket hat die Ticketnutzung im VVS stark verändert. Wochen- und Monatstickets werden kaum noch nachgefragt – und auch zahlreiche Gelegenheitskunden haben angesichts des günstigen Preises und der bundesweiten Gültigkeit ein Deutschland-Ticket bestellt. Offensichtlich sind auch viele Kunden, die in der Pandemie ihr Abo gekündigt hatten, zurückgekehrt. „Rund 80 Prozent aller Fahrten werden mittlerweile mit dem Deutschland-Ticket oder dem JugendTicket durchgeführt“, berichtet VVS-Geschäftsführerin Cornelia Christian.

„Trotz aller Euphorie müssen wir auch den Herausforderungen ins Auge blicken: Die Verkehrsunternehmen stehen aufgrund hoher Kosten für Bahnstrom, Diesel, Löhne und Gehälter vor großen finanziellen Problemen. Wir brauchen vor allem Gewissheit, dass es mit einer vollständigen und dauerhaften Finanzierung des Deutschland-Tickets weitergeht. Die Länder haben grundsätzlich zugesagt, die Hälfte der erforderlichen Ausgleichsmittel bereitzustellen. Jetzt ist der Bund am Zug“, führt Geschäftsführerkollege Thomas Hachenberger aus. Laut Hachenberger müsse die Zusage des Bundes bald kommen, damit Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger wissen, auf welcher Basis das Ticket im kommenden Jahr finanziert wird. 

Zum Deutschland-Ticket gibt es erste Erkenntnisse für das VVS-Gebiet:

  • Die meisten neuen Abonnenten sind bisher ab und zu mit Bus und Bahn gefahren, sie waren in der Regel Nutzer von Wochen- und Monatstickets, teilweise auch von Einzel- und TagesTickets
  • Über die Hälfte der Kunden fahren fast täglich oder täglich
  • Viele Behörden und Unternehmen bezuschussen das Deutschland-Ticket – mehr als jeder Dritte nutzt bereits die Job-Ticket-Variante des Deutschland-Tickets. Es laufen aktuell auch noch viele Gespräche über das Jobticket mit Arbeitgebern in der Region. Durch die Bezuschussung wird das Deutschland-Ticket für Angestellte noch attraktiver. Mit der Förderung können Unternehmen einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige Mobilität leisten. Der VVS als Umweltverbund steht interessierten Unternehmen und Kommunen hierbei als starker Partner zur Seite.
  • Zwei Drittel haben ihr D-Ticket auf der Chipkarte, rund ein Drittel auf dem Smartphone. Von den neuen Abonnenten haben aber etwas mehr als die Hälfte das Smartphone als Trägermedium gewählt.
  • Rund 8 Prozent der Abonnenten haben zusätzlich zum Deutschland-Ticket das Upgrade „TicketPlus“ bestellt.

Mehr Zeittickets – weniger Gelegenheitsverkehr

Wenn man das gesamte halbe Jahr betrachtet, hat sich die Zahl der Fahrten bei den ZeitTickets besonders erhöht, nämlich um 40 Prozent. Neben dem Effekt des Deutschland-Tickets spielt eine Rolle, dass im Vorjahr im Juni das 9-Euro-Ticket galt, das dem Gelegenheitsverkehr zugerechnet wurde. Entsprechend ist der Gelegenheitsverkehr um rund 24 Prozent zurückgegangen.

Das landesweite JugendTicketBW für Schüler, Auszubildende, Studierende und alle Jugendliche unter 21 Jahren hat die bisherigen Ticketangebote wie das Scool-Abo, das Ausbildungs-Abo und das StudiTicket fast vollständig abgelöst. Das JugendTicketBW hat dazu beigetragen, dass junge Menschen die Bahnen und Busse noch häufiger genutzt haben. Im Vergleich zu 2022 sind die Fahrgastzahlen im Ausbildungsverkehr um rund 17 Prozent gestiegen.

Fahrgeldeinnahmen weiter gestiegen

Insgesamt hat der VVS im ersten Halbjahr 2023 reine Fahrgeldeinnahmen von 211 Millionen Euro erzielt, das sind rund 24 Millionen Euro mehr als im Vorjahreszeitraum (+ 13 Prozent). Gegenüber 2019 ergibt sich aber immer noch eine Lücke von 48 Millionen Euro. Die Einnahmeausfälle, die durch das das Deutschland-Ticket entstehen, werden von Bund und Ländern ausgeglichen.

(nik)