Land fördert Modellprojekt: Flächendeckende Information über Echtzeit im öffentlichen Personennahverkehr

Fahrgäste werden in der Region Stuttgart über Verspätungen, Störungen und Anschlüsse informiert

Im Individualverkehr und im öffentlichen Verkehr sind durch Staus und Unfälle Verspätungen und Unregelmäßigkeiten nicht immer zu vermeiden. Die neuen Medien bieten die Möglichkeit, sich fast überall und jederzeit auf dem Laufenden zu halten. Der Fahrgast im öffentlichen Personennahverkehr möchte zu Hause im Internet oder unterwegs über sein Smartphone aktuelle Informationen über Verspätungen und Störungen im Betriebsablauf abrufen. Zur Information der Kunden stehen im Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) nun flächendeckend Echtzeitinformationen für alle Bahnen und Busse zur Verfügung.

 

Bei der Bahn und in den großen Städten werden die Fahrgäste schon seit einigen Jahren am Bahnhof, der Haltestelle oder auf dem Rechner über Verspätungen informiert. Im Busverkehr in der Fläche konnten allerdings keine Informationen über die tatsächliche Betriebslage gegeben werden. Der Grund: Die Busse wurden nicht geortet und es standen in den mittelständischen Busunternehmen keine eigenständigen rechnergestützten Betriebsleitsysteme (RBL) zum jederzeitigen Soll-Ist-Vergleich des Fahrplans zur Verfügung. Solche Systeme waren für kleinere Verkehrsunternehmen zu aufwändig und es gab keine Fördermöglichkeiten im Rahmen des Gemeinde-Verkehrs-Finanzierungsgesetz.

 

Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur hat daher im Rahmen des Landesförderprogramms „Nachhaltig mobile Region Stuttgart (NaMoReg)“ ein Modellvorhaben des VVS bezuschusst, mit dem die flächendeckende Einführung von Echtzeitinformationen im gesamten Verbundraum realisiert wurde. Auch private, mittelständische Busunternehmen im ländlichen Raum können nun Echtzeitinformationen generieren und den Fahrgästen über die Informationsmedien des VVS zur Verfügung stellen. Verkehrsminister Winfried Hermann dankt dem VVS und den beteiligten Verkehrsunternehmen für ihr Engagement: „Mit diesem Projekt wurde gezeigt, dass  Echtzeitinformationen auch bei kleineren Busunternehmen erzeugt werden können.“ Echtzeitinformationen seien, so der Minister, „gerade im ländlichen Raum“ besonders wichtig, weil dort der Bus nicht alle fünf oder zehn Minuten fahren könne.

 

Regionale Datendrehscheibe bündelt alle Informationen

 

Die Grundlage für das Projekt war die Entwicklung einer regionalen Datendrehscheibe. Dies ist eine Plattform, die die Echtzeitinformationen aus den verschiedenen Betriebsleitsystemen der Verkehrsunternehmen bündelt, mit der elektronischen Fahrplanauskunft (EFA) verknüpft und an diverse Auskunftsmedien (z. B. Bordrechner im Bus, Fahrplananzeiger an der Haltestelle, Fahrplanauskunft im Internet oder auf einer App) weitergibt. Die Datendrehscheibe wurde vom VVS bereits im Jahr 2010 – mit Unterstützung durch das Land im Rahmen des ÖPNV-Innovationsprogramms – realisiert. Zunächst wurden die Echtzeitdaten der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) und DB Regio an die Datendrehscheibe angebunden. Es fehlten jedoch noch die Daten der mittelständischen Busunternehmen.

 

RBL-light-System erfasst Echtzeitdaten aller Verkehrsunternehmen im VVS

 

In einem Pilotprojekt hat der VVS 2011 ein zentrales Hintergrundsystem für ein auf die Bedürfnisse mittelständischer Unternehmen zugeschnittenes Betriebsleitsystem („RBL light“) beschafft. Eingebunden wurden zunächst die Pilotunternehmen Dannenmann, Kappus und Württembergische Eisenbahn-Gesellschaft. 2012 erhielt der VVS den Förderbescheid für das Projekt, flächendeckend im gesamten Verbundgebiet Echtzeitinformationen zu generieren. Dazu musste das RBL-light-System mandantenfähig ausgebaut werden. Inzwischen sind 26 Verkehrsunternehmen mit rund 700 Bussen an das System angeschlossen. Parallel dazu installierte DB Regio für die Busunternehmen im Konzern ein eigenständiges RBL-System und rüstete diese entsprechend aus, um die Daten dem VVS zur Verfügung stellen zu können. Damit erzeugen weitere 300 Busse Echtzeitdaten.

 

 Die App als Informationsmedium der Zukunft

 

Die Echtzeitdaten werden den Kunden auf verschiedenen Wegen zur Verfügung gestellt. In der EFA werden Soll- und Ist-Fahrplan angezeigt. Bei Verspätungen werden Anschlüsse neu gerechnet. Bei der Fahrgastinformation speilen die mobilen Medien eine immer größere Rolle. „Die allermeisten Kunden informieren sich über unsere App“, berichtet VVS-Geschäftsführer Horst Stammler. Im vergangenen Jahr wurden 385 Millionen Fahrplanauskünfte im VVS gegeben, das sind über eine Million Auskünfte pro Tag. Die Echtzeit und die zunehmende Verbreitung von Smartphones haben der Fahrplanauskunft einen wahren Boom beschert: Heute werden im VVS drei Mal so viele Auskünfte gegeben wie zu Beginn des Echtzeitprojektes 2010. Rund 80 Prozent aller Auskünfte werden über mobile Endgeräte gegeben, die meisten über die App „VVS mobil“. Die App wurde inzwischen über 900.000 Mal heruntergeladen. Sie  wird schon seit einigen Jahren für die großen Betriebssysteme iOS und Android angeboten, später kam noch das Betriebssystem BlackBerry hinzu. Seit Jahresbeginn ist auch eine Version für das Betriebssystem Windows Phone erhältlich. Wer keines dieser gängigen Betriebssysteme hat, kann die Fahrplanauskunft auch über das mobile Internet abrufen.

 

Die App enthält verschiedene Funktionen, unter anderem ist auch der Kauf eines Handytickets in die Fahrplanauskunft integriert.

 

Die App wird ständig weiterentwickelt, ab Juni soll ein Update für eine höhere Geschwindigkeit sorgen.

 

Die Schnittstelle kann auch für Fahrgastinformationsanzeiger genutzt werden, wie sie zum Beispiel an einigen zentralen Omnibusbahnhöfen in der Region, aber auch in publikumsintensiven Einrichtungen wie dem Einkaufszentrum Milaneo aufgestellt wurden.

 

Jedes Unternehmen, das Echtzeitdaten zur Verfügung stellt, hat auch den Anspruch, die Echtzeitdaten der anderen Unternehmen im VVS zu erhalten. Daher können jetzt auch S-Bahn-Anschlüsse auf den Bordrechnern der Busunternehmen angezeigt werden, damit der Busfahrer entscheiden kann, ob er ggf. noch auf eine verspätete S-Bahn wartet.

 

Die Verkehrsunternehmen können die gewonnenen Echtzeitdaten auch zur Analyse von Verspätungen und zur Optimierung von Fahrplänen nutzen. „Wir haben über die Auswertung der Echtzeitdaten festgestellt, bei welchen Fahrten und an welchen Orten regelmäßig Verspätungen auftreten. Damit konnten wir schon eine Gemeinde überzeugen, die Ampelsteuerung umzuplanen, um dem Bus Vorrang zu geben“, berichtet Horst Windeisen,  Geschäftsführer des Omnibusverkehrs Ruoff (OVR) und überzeugter Anhänger der Echtzeitinformation im ÖPNV.

 

Verlässliche Störungsinformationen

 

Bei größeren Unregelmäßigkeiten wie Unfällen, Fahrzeug – oder Signalstörungen oder Streiks bei einzelnen Unternehmen stößt die Information mit Echtzeitdaten an ihre Grenzen, da das System nur erkennt, wo sich ein Fahrzeug befindet und daraus eine Prognose für den künftigen Fahrtverlauf erstellt. Das System „weiß“ aber nicht, bo sich ein Pkw im Gleis befindet oder die Strecke aus sonstigen Gründen gesperrt ist. Gerade dann sind aber gute und aussagekräftige Informationen unerlässlich. In diesen Fällen muss die Leitstelle des jeweils betroffenen Verkehrsunternehmens manuell eingreifen. Damit Störungsinformationen unternehmensübergreifend kommuniziert werden können, steht den Mitarbeitern der Leitstellen eine einheitliche, vom VVS bereitgestellte und im Rahmen des Projektes geförderte Plattform zur Verfügung.

 

Ausblick

 

Im Teilprojekt „Flächendeckende Versorgung mit Echtzeitinformationen im ÖPNV“ hat der VVS erfolgreich gezeigt, dass alle Verkehrsunternehmen im Verkehrsverbund, insbesondere im ländlichen Raum, Echtzeitdaten aus verschiedenen RBL-Systemen generieren können. Die dabei gesammelten Echtzeitinformationen werden über die regionale Datendrehscheibe des VVS miteinander verknüpft und in allen Medien konsistent und einheitlich ausgegeben.

 

Entscheidender Beitrag zum Gelingen dieses Vorhabens war die kooperative und konstruktive Zusammenarbeit zwischen MVI, VVS, den Verkehrsunternehmen und den Systemherstellern. Die Teilnahme der Verkehrsunternehmen am Projekt erfolgte ausschließlich auf freiwilliger Basis und wäre ohne die Zusicherung von Fördermitteln in dieser Art und Weise nicht erfolgt.

 

Nach dem Projektende werden alle geschaffenen Strukturen in den Regelbetrieb überführt, sodass die erhaltenen Fördergelder nachhaltig verwendet werden. Es wurde gezeigt, dass ein solches Projekt auch mit vielen Beteiligten und kleineren Unternehmen möglich ist und auch für eine landesweite Anwendung geeignet ist. Als Nachfolgeprojekt wird das MVI im Rahmen des NaMoReg-Programms die Erzeugung von Echtzeitinformationen durch Verkehrsunternehmen im Landkreis Göppingen und  Anschlussverkehren zur S-Bahn in den Landkreis Calw fördern. Alle über die Systeme des VVS erzeugten Echtzeitdaten werden der NVBW für eine landesweite Echtzeitauskunft zur Verfügung gestellt.

 

Landesweit kann eine Förderung von Echtzeitinformationen künftig über das neue Landes-Gemeinde-Verkehrs-Finanzierungsgesetz (LGVFG) erfolgen. Hierzu hat das MVI einen neuen Fördertatbestand in das LGVFG aufgenommen.