VVS durch die Coronakrise stark betroffen

Ein Drittel weniger Fahrten in den ersten sechs Monaten – treue Abokunden sichern Finanzierung des ÖPNV – Verkehrsunternehmen haben 56 Millionen Euro weniger in der Kasse

 

Das erste Frühjahr des neuen Jahrzehnts wird in die Historie eingehen. Noch im Februar hatte der VVS einen neuen Fahrgastrekord für 2019 verkündet und alle waren gespannt, was das erste volle Jahr nach der großen Tarifreform bringen wird. Von einer Minute zur anderen war dann die Zeit der Erfolgsmeldungen vorbei. Durch die öffentlich verordneten Einschränkungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus sind die Fahrgastzahlen und damit auch die Einnahmen der Verkehrsunternehmen massiv eingebrochen. Dementsprechend sieht auch die Halbjahresbilanz des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS) ernüchternd aus.

In den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 wurden nach groben Abschätzungen lediglich 128 Millionen Fahrten mit den Bahnen und Bussen im VVS durchgeführt. Das sind knapp 65 Millionen Fahrten weniger als im ersten Halbjahr des Vorjahres, was einem Rückgang von knapp 34 Prozent entspricht. In den Hochzeiten von Corona – im April – sind bis zu 80 Prozent der Fahrgäste aus den Bahnen und Bussen weggeblieben. Weil während des Lockdowns keine Veranstaltungen stattfanden und Restaurants sowie Geschäfte geschlossen waren, tendierte der Gelegenheitsverkehr über Wochen hinweg gegen Null.

„Im Moment sind wir wieder bei rund 60 Prozent der Fahrgäste im Vergleich zum Juni des Vorjahres. In den Stadtbahnen wurden im Juli sogar schon wieder 70 Prozent gezählt. Im Ballungsraum geht es eindeutig wieder aufwärts“, sagt VVS-Geschäftsführer Thomas Hachenberger. Im ländlichen Bereich seien es dafür weniger. Bis die Fahrgastzahlen wieder das Niveau der Vor-Corona-Zeit erreichen, wird es aber noch Monate dauern.

Dramatischer Rückgang der Einnahmen

Insgesamt hat der VVS im ersten Halbjahr 2020 von den Fahrgästen rund 202 Millionen Euro eingenommen und damit 56 Millionen Euro (brutto) weniger als im Vorjahreszeitraum. Das ist ein Rückgang von etwa 22 Prozent. Die Ausgleichsleistungen der öffentlichen Hand für die vergünstigten Tarife nach der umfassenden Tarifreform im letzten Jahr haben sich für die Verkehrsunternehmen im VVS stabilisierend ausgewirkt.

„Dass es finanziell nicht noch schlechter aussieht, haben wir unseren viele treuen Stammkunden zu verdanken, die bislang ihre Abos nicht gekündigt haben“, berichtet VVS-Geschäftsführer Thomas Hachenberger. Das führt dazu, dass der Berufsverkehr mit einem Einnahmeminus von 12,3 Prozent davonkommt. „Wir haben bis zur Jahresmitte etwa zwei Prozent weniger Abonnenten als noch vor einem Jahr“, berichtet VVS-Geschäftsführerkollege Horst Stammler. Im Vorjahreszeitraum waren die Abozahlen noch um rund 8 Prozent gestiegen.

Ein wichtiger Bereich ist das FirmenTicket des VVS, das vor Corona weiterhin geboomt hat. „Derzeit fahren immer noch rund 94.000 Arbeitnehmer mit dem preisgünstigen Jobticket zur Arbeit. Vor Corona waren es sogar 95.000“, informiert Stammler.

Die höchsten Umsatzeinbußen mit einem Minus von 36 Millionen Euro verzeichnete der VVS im Gelegenheitsverkehr, in Bezug auf die Einnahmen die Nummer zwei hinter dem Berufsverkehr. In diesem Bereich sind die Einnahmen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast die Hälfte eingebrochen (-48,2 Prozent).

„Dankeschön“ für treue Kunden

„Die Treue der Stammkunden in dieser einzigartigen Krise war enorm wichtig für die Finanzierung des ÖPNV. Für die Verkehrsunternehmen waren das über Wochen praktisch die einzigen Tarifeinnahmen, die sie erzielen konnten“, sagt Stammler.

Um sich bei den Stammkunden zu bedanken, hat der VVS-Aufsichtsrat ein Aktionspaket zur Kundenbindung beschlossen (Stand: 5. August 2020):


• Übernahme von zwei Monatsraten (Mai und Juni) beim Scool-Abo. Die Finanzierung erfolgt durch das Land. Der VVS hat dafür einen Betrag von 8,9 Millionen Euro erhalten und an die Eltern bereits ausbezahlt.
• Verlängerung des StudiTickets für das Sommersemester bis 31. Oktober 2020
• Studierende können ab sofort flexibel und monatlich in das StudiTicket einsteigen und müssen nicht mehr bis zum Semesterbeginn warten.
• Kulanzregelungen für besondere Härtefälle wurden umgesetzt
• Treuebonus für Abonnenten: Die Absenkung der Mehrwertsteuer von 7 auf 5 Prozent soll vollständig an die Kunden weitergegeben werden. Weil es keinen Sinn macht, einzelne Tarifpositionen nur um einige Cent zu reduzieren, wird der VVS den Gesamtbetrag gezielt als Treuebonus für die Abonnenten verwenden. Die Höhe des Bonus hängt vom Umsatz in den nächsten Monaten ab. Er dürfte aber mindestens 15 Euro pro Abo betragen.
• Sommerferien-Aktion: Alle Abos und JahresTickets gelten vom 30. Juli bis 13. September 2020 in allen Bussen und Bahnen des Nahverkehrs in ganz Baden-Württemberg.
• Neueinsteigerkampagne mit Zusatznutzen zum Jahresende (uli)